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			 22.  Ein 
			fremdes Tier 
			  
			
			„Korno, also das ist wirklich die Höhe!“ quiekte Mama Salamine mit 
			schriller Stimme, „kaum ist dein Hinterbeinchen richtig verheilt, 
			treibst du dich schon wieder in den Scherben im Altglascontainer 
			herum und schleckst die Likörflaschen aus! Du solltest dich 
			schämen!“ 
			Papa Korno saß breitbeinig im Nest, blickte mit glasigen Augen in 
			die Welt und rülpste. „Aber, a-aber Sala-lala-minchen! Ich habe — 
			quicks — doch nur ein ga-ganz kleines Schlückchen geschleckt-leckt — 
			lecker war das!“ — „Pfui, Korno, was sollen die Kinder denken, wenn 
			sie dich so sehen, und erst Frau Mausmops, die uns heute besuchen 
			will!“ Mama Salamine war erbost: „Man sollte dir die Schwanzquaste 
			um die Ohren hauen!“ Sie bleckte ihre Nagezähne. — „Aber Minchen, 
			sei doch nicht so bö-öse mit mir! Quicks! Urgro-großvater Mausathan 
			ha-hat doch auch eine Likörpraliline gefressen, nachdem er die drei 
			Ka-katzen besiegt hatte — uaahh, bin ich mü-müde !“ Papa Korno 
			plumpste zur Seite und begann zu schnirchen. 
			Mama Salamine fauchte ein bisschen, schüttelte dann den Kopf und 
			krabbelte aus dem Nest. Sie wollte aus einer Pfütze draußen am 
			Wegrand noch etwas Wasser trinken.  
			Als sie so über die Felder schaute, die sich hinter dem Schuppen am 
			Wald erstreckten, sah sie auf einmal ein großes Tier, das langsam 
			über einen Stoppelacker strich. Ein solches Tier hatte sie noch nie 
			gesehen, und sie duckte sich vorsichtig hinter einen Feldstein. 
			Das Tier war viel größer als eine Katze, schien aber kein Hund zu 
			sein. Es schimmerte im fahlen Mondlicht rötlich, hatte dunkle Beine 
			und einen wunderschönen langen, buschigen Schwanz. Es schnüffelte 
			eine Ackerfurche entlang, und Mama Salamine sah ihm erstaunt zu. Sie 
			überlegte alle Tiere durch, die sie kannte, Kühe, Pferde und 
			Schweine von dem Bauernhof, auf dem sie als Kind gelebt hatte, 
			Stallhasen, Hunde, ja, und Katzen. Sonst kannte sie keine 
			vierbeinigen Wesen. Dieses hier — dieses hier war ihr fremd.  
			Das Tier auf dem Acker hob plötzlich seine spitze Schnauze, 
			erstarrte im Schritt, machte dann einen Satz zur Seite — und etwas 
			kleineres Graues hopste kreuz und quer über den Acker — das große 
			Tier hinterher ! 
			Mama Salamine guckte sich fast die Augen aus dem Kopf. Die beiden 
			Tiere hetzten im Zickzack über die Felder, bis sie sich in der 
			Dunkelheit verloren.  
			Nachdenklich schlich Mama Salamine nach Hause, hatte ihren Ärger 
			über Papa Korno ganz vergessen — und grübelte über das Gesehene 
			nach.  
			Am nächsten Morgen, als Papa Korno seinen Rausch ausgeschlafen hatte 
			und sich gerade dehnte und streckte, hörte er Mama Salamines Stimme 
			hinter dem Holzstoß: „Ja, Kässy, und dann ist das große rote 
			Schwanztier hinter dem kleinen Hoppeltier hergejagt — nicht 
			geradeaus — ganz komisch!“ „Vielleicht haben sie Nachlaufen gespielt 
			?!“ meinte Kässy. — Da hörten sie Papa Korno lachen: „Hihihähä!“ 
			quiekste er, „hast du noch nie einen Fuchs gesehen, Salamine? Einen 
			Fuchs, der einen Hasen jagt!?“ — Sei froh, dass er dich nicht 
			gesehen hat; Füchse mögen auch gerne Mausebraten, wenn sie nichts 
			Besseres finden!“ 
			Die beiden hinter dem Holzstoß schwiegen. Mama Salamine dachte, wie 
			schrecklich das doch sei, dass alle, wirklich alle Tiere hinter 
			ihnen, den armen Mäusen, her waren. 
			 
  
			
			
			              
			
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