16. Ein Ausflug
ins Unbekannte
Familie
Mausekatz wohnte nun schon fast eine Woche im Schuppen der weißen
Maus, hatte sich hinter dem Holzstoß ein gemütliches Nest gebaut und
der weißen Maus jeden Tag eine Walnuss als Miete bezahlt. Um Futter
brauchte sie sich auch nicht zu sorgen, denn der Gerstensack war
dick und schwer und außerdem hatte Mama Salamine noch eine Schnur
mit Maiskolben gefunden, die bequem zu erreichen war.
Nur einer war nicht zufrieden: „Ich mag nicht immer nur
Gerstenkornbrei“, maulte Schoggel eines Abends, „ich hab’ so Lust
auf ’was Süßes! Ich geh’ mir was suchen!“ — „Nimm dich in acht!“
sagte Papa Korno, „wir wissen noch nicht, ob es hier eine Katze
gibt!“ — „Ich pass’ schon auf!“ quiekte Schoggel und quetschte sich
durch einen Spalt in der Schuppenwand ins Freie. Zucko sah ihm
sehnsüchtig nach. Wie gerne wäre er mitgegangen, etwas Süßes suchen;
doch seit drei Tagen musste er brav im Nest hocken, sein rechtes
Hinterbeinchen lahmte, weil ihm vom Holzstoß ein kantiges Holzscheit
darauf gefallen war. Ob Schoggel ihm etwas mitbrachte ?
Schoggel hockte derweil draußen vor der Schuppenwand, machte
Männchen und äugte hinüber zu dem großen Haus, zu dem der Schuppen
gehörte. Unten waren zwei Fenster erleuchtet, daneben eines dunkel
und ein wenig geöffnet. Und an der Hauswand rankte Efeu, prima, da
konnte man hochklettern!
Im Nu saß Schoggel auf der Fensterbank und schnupperte in das dunkle
Zimmer hinein. Er hüpfte auf eine Sofalehne und versuchte, auf den
Tisch zu gelangen, denn er wusste aus dem Gasthaus mit dem Viezfass,
dass auf Tischen oft etwas Essbares zu finden war. Er stöberte auf
dem Tischtuch herum und stieß schließlich mit der Schnauze an eine
flache Schachtel. Die roch nach Pappe — halt — nein — die roch —
viel besser!
Schoggel begann an einer Schachtelecke zu nagen. Blitzschnell ging
das, denn es duftete immer feiner. Raspel, knurspel, knurps —
Schoggels Nagezähne landeten in purer Schokolade! Er bohrte sein
Köpfchen in die Schachtel und knabberte gierig an seiner
Lieblingsspeise. Dabei schob er die Schachtel vor sich her über den
Tisch, und plötzlich purzelte er mitsamt der Schachtel vom Tisch auf
den Fußboden. Das klackte laut, und ehe Schoggel sich von seinem
Schreck erholen konnte, hörte er Menschenschritte, die Zimmertür
wurde aufgerissen und das Licht ging an.
„Was war denn das für’n Geräusch?“ fragte eine Kinderstimme, und
dann schrie es: „Eh, da war einer an meinen Katzenzungen, das ist
gemein !“ Das Menschenkind hob die angefressene Schokoladenschachtel
auf, rannte aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
Schoggel hatte sich im letzten Augenblick unter das Sofa geflüchtet,
kroch nun mit klopfendem Herzen hervor und schaute sich ängstlich
um, denn das Kind hatte das Licht angelassen und es war furchtbar
hell. Viele Stuhl- und Tischbeine waren um ihn herum, das war er
gewohnt. Doch über ihm! Schoggel erschrak fast zu Tode. Hoch über
ihm auf einer Stange saß ein Monster und starrte ihn an. Es war
giftgrün, hatte Krallenklauen und einen riesigen krummen Schnabel.
Wie gelähmt saß Schoggel — da öffnete das Monster seinen Schnabel
und krächzte schauerlich, dann pfiff es so laut und schrill, dass es
Schoggel durch Mark und Bein ging. Und als es dann die rechte Klaue
spreizte, hochhob und noch zwei wuchtige Flügel ausbreitete — da
sauste Schoggel in Todesangst die Sofalehne hinauf, auf die
Fensterbank und hinaus in die Efeuranken. Weg, nur weg!
„Was ist denn eben hier vorbeigeschossen ?“ quäkelte Mama Salamine,
die sich im Schuppennest eben zum Schlafen eingerollt hatte, und
klappte schläfrig ein Auge auf, „Korno, sieh doch mal nach!“
Nach einer Weile kam Papa Korno zurück und schüttelte den Kopf:
„Schoggel ist ein bisschen verrückt geworden. Er sitzt dahinten in
der Ecke und behauptet, dass er eine Katzenzunge gefressen hat,
stell’ dir vor, eine Katzenzunge! Und dann hätte ihn beinah’ ein
grünes Untier geholt! Ich glaube, er hat Fieber und muss ins Nest!“
Zucko mit seinem wehen Hinterbeinchen hatte erstaunt zugehört und
schauderte: „Bäh, wie konnte Schoggel nur die Zunge von einer Katze
fressen, pfui Teufel!“
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