27. Das
Nest leert sich
Eine
Woche, nachdem Frau Mausmops den Mäusedoktor geheiratet hatte, gab
es im Schuppen der Familie Mausekatz eine Doppelhochzeit: Schoggel
heiratete Müsy, und Kässy heiratete kurz entschlossen den jungen
Mäuserich Quasty aus der Mäushecke.
Am Tag nach dem Fest, als Papa Korno eben einen Haufen
leergefressener Walnussschalen zusammenkehrte, quäkelte Mama
Salamine: Oh Korno, es ist jammerschade, dass unsere Kinder so
schnell groß werden!“ — „Das ist nun mal bei uns Mäusen so,
Salamine!“ tröstete Papa Korno, „doch sieh mal, wir haben ja noch
Zucko und Mehlinchen!“
Wenn man den Esel nennt, kommt er gerennt, sagt ein altes Sprichwort
— Mehlinchen trabte eben um die Schuppenecke, und hinter ihm her
zockelte Mausmöpschen. „Papa Korno!“ quiekte Mehlinchen,
„Mausmöpschen und ich, wir wollen im Holzstoß Versteck spielen!“
Mausmöpschen witschte in einen dunkeln Spalt des Holzstoßes, und
Mehlinchen lehnte sich mit geschlossenen Augen an ein Holzscheit und
zählte: „Eins, zwei, drei . . .“, plötzlich klappte es die Augen
wieder auf und sagte: „Oh Papa, Mama, wisst ihr was? Zucko, Zucko
sitzt auf dem Friedhof bei der steinernen Säule und schnäuzelt mit
Micky Mausss, mit Micky Mausss aus dem Gemüsegarten!“ — „Was, der
auch!“ stöhnte Mama Salamine, „bald sind wir ganz allein!“ — Papa
Korno knurrte etwas, meinte dann aber: „Komm, Salaminchen, wir
machen einen kleinen Spaziergang und besuchen unsere großen Kinder!“
Und während Mehlinchen und Mausmöpschen Verstecken spielten,
tippelten die Eltern Mausekatz zum Friedhof. Schoggel war zu Müsy
dorthin gezogen. Sie hatten sich unter dem umgefallenen Grabstein
ein Nest gebaut.
Doch wie es geht, wenn man jemanden überraschen will, Schoggel und
Müsy waren nicht zu Hause. Und als Papa Korno und Mama Salamine
endlich zur Mäushecke hinter dem Friedhof gelangt waren, fanden sie
auch da das Nest leer.
Eben wollten die beiden enttäuscht aus dem Erdloch unter dem
Holunderbusch wieder herauskriechen, da plumpste ihnen von oben
etwas entgegen. Es war Kässy, und sie war leichenblass um die
Schnauze und zitterte. „Ich dachte — oh, ich dachte, er wollte mich
holen !“ quiekte sie ächzend. — „Wer denn, wer denn ?“ fragten die
Eltern. — „Oh, der große Vogel — er schoss vom Himmel — er war
riesig . . .“ — „Es war sicher ein Habicht!“ murmelte Papa Korno,
„ich habe vorhin in der Ferne einen gesehen!“ — „Der Vogel schoss
herab“, berichtete Kässy weiter, „aber nicht zu mir, sondern auf die
andere Seite der Mäushecke! Und dort, dort schrie etwas ganz laut,
und dann flog der Vogel wieder hoch und hatte einen anderen Vogel in
den Krallen — einen kleineren grauen !“ — „Wohl eine Taube aus dem
Taubenschwarm, der vorhin über den Friedhof geflogen ist!“ Wieder
war es Papa Korno, der das sagte; er beobachtete als erfahrener
alter Mäuserich sehr genau, was um ihn herum vorging. „Wenn ich
nicht immer aufpassen würde, wäre ich längst nicht mehr da!“ quiekte
er, „ich sage euch, als Maus kann man nicht genug Augen und Ohren
haben! Im Handumdrehen hat’s einen erwischt!“ — „Wo steckt denn dein
Mann Quasty, Kässy?“ fragte Mama Salamine plötzlich.
Kässy schwieg. Sie ließ die Ohren hängen und schaute zu Boden. Zwei
Tränchen hingen an ihren Augenwimpern. „Quasty ist — er ist seit
zwei Tagen nicht mehr heimgekommen“, piepselte sie ganz leise. Mama
Salamine warf Papa Korno einen erschrockenen Blick zu. Papa Korno
aber richtete sich mit einem Ruck auf: „Kommt — sofort — wir gehen
ihn suchen — und wir werden ihn finden!“ sagte er grimmig und
sprang ohne Zögern aus dem Nestloch.
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