10.
Das Hochwassertier
“So
ein Mistwetter!” Quops schaut knurrig aus dem Wohnzimmerfenster.
Schon sechs Tage nicht als Regen. Und jetzt hat er zwei Stunden
Fernsehen geguckt – und hat zu nichts Lust mehr.
„Hilfst du mir mal gerade, das obere Regal einräumen, Kai?“ tönt es
aus der Küche. Auch das noch! Mit einem Gesicht, als hätte er in
Sauerkraut gebadet, reicht Quops seiner Mutter die Teller und Krüge
an. – Regnet es nicht mehr? Quops macht einen Schritt rückwärts, um
einen Blick durch die Terrassentür zu werfen. Noch ein Schritt und –
„Pass auf! Der Eimer!“ schreit seine Mutter. Zu spät, der kleine
Putzeimer kippt und ergießt seinen Inhalt unter den Küchentisch.
„Herrjeh! Du bist aber auch zu nichts zu gebrauchen!“ schimpft seine
Mutter. – „Hab’ halt hinten keine Augen!“ Quops trottet zur
Besenkammer, den Putzlappen zu holen.
Unwillig wirft er den Lappen in die Überschwemmung, dass das Wasser
bis an die Gardinen spritzt. „Mach’, dass du rauskommst, eh’ ich
explodiere!“ schreit seine Mutter. Quops läuft in den Keller und
holt den Nasssauger, stellt ihn stumm vor seine Mutter und verdrückt
sich.
Auf dem Weg in sein Zimmer kommt ihm ein Gedanke. Natürlich! Dass er
da nicht früher draufgekommen ist! Vom Hochwasser haben sie geredet,
in der Schule, heut’ morgen. Klar, von dem vielen Regen ist der
Fluss übergelaufen. Vor einem Jahr war der Minigolfplatz auch
überschwemmt.
Blitzschnell hat Quops Schuhe und Anorak an. „Ich geh’ das
Hochwasser gucken!“ hört seine Mutter gerade noch, und dann fällt
die Wohnungstür zu.
An dem Zaun, der den Minigolfplatz und die Schrebergärten von der
Straße trennt, steht ein Haufen Leute. Die Anlagen reichen bis zum
Fluss und sind schon fast völlig unter Wasser. Als Quops eine Gruppe
Mitschüler entdeckt, schreit einer gerade: „Da schwimmt’n Fisch
unter der Rutschbahn durch!“ Quops sieht den Fisch auch, er treibt
auf der Seite und ist tot.
Quops läuft bis ans Ende der Minigolfanlage, da wo sie an die
Hospitalmauer angrenzt. Auch der untere Teil des Hospitalgartens
steht unter Wasser. Quops sieht zu, wie zwei Männer mit einem großen
Schlauchboot zu einem Gartenhaus fahren, das dort auf einer Art
Inselchen aus dem Wasser ragt. Sie öffnen die Tür und hieven einen
Rasentraktor aus dem Häuschen in ihr Boot. Auf der Fensterbank des
Gartenhäuschens steht plötzlich eine Katze. Sie muss in dem Häuschen
gewesen sein. Als die Männer abfahren, fängt sie an zu miauen.
Quops ruft den Männern zu : „Die Katze! Daaa!!“ Die Männer drehen
sich um, sehen die Katze, und der eine lacht: „Die kann ruhig
ersaufen! Gibt sowieso zuviel von dem Viehzeug!“ Quops hält die Luft
an. „Gemein!“ knirscht er. Die Männer beachten ihn nicht mehr,
ziehen ihr Boot aus Trockene und fahren den Rasentraktor in einen
Schuppen.
Quops sieht ihnen nach und kaut auf seinen Fingernägeln. Die Katze
läuft auf der Fensterbank hin und her und schreit jämmerlich.
„Wenn sie ‚runterspringt, landet sie im Wasser!“ Quops weiß, dass
Katzen wasserscheu sind.
Er denkt an Tibby bei der Taufe. „Die würde lieber verhungern, als
da reinspringen!“ denkt er – geht zum Tor des Hospitalgartens und
hält Ausschau nach den Männern. Die Luft ist rein! Im Nu sitzt Quops
im Schlauchboot, greift die Paddel und versucht, das Boot vom
Trockenen abzustoßen. Doch das Boot ist viel zu schwer und er
schafft es nicht. Er steigt wieder aus, zerrt das Boot mit aller
Gewalt ins Wasser, springt hinein und kollert auf den Boden. Durch
den Ruck hat das Boot soviel Schwung, dass es von selbst in Richtung
Gartenhaus treibt. Quops hilft mit dem Paddel noch ein wenig nach –
und ist am Ziel. Die Katze glotzt ihn mit großen Augen an – und
weicht vor ihm zurück.
„Sei nicht dumm! Komm’ her!“ lockt Quops. Doch die Katze ist dumm.
Voller Angst versucht sie, von der Fensterbank aufs Dach des
Häuschens zu springen, rutscht dabei ab und platscht ins Wasser. Ehe
Quops überhaupt reagieren kann, schwimmt sie hastig vom Boot weg zu
einem großen Busch mitten im Wasser; dort kraxelt sie auf einen Ast,
schüttelt sich ausgiebig und kauert sich nieder.
Quops tippt sich an die Stirn: „Ist die blöd!“ murmelt er, „jetzt
kann sie auch allein an Land schwimmen!“
Gerade ist Quops dabei, das Boot wieder aufs Trockene zu ziehen, als
ein Mann aus dem Schuppen kommt: „He, was treibst du da?
Verschwinde!“ brüllt er.
Quops fährt zusammen, gibt in seinem Schrecken dem Boot einen Stoß,
dass es wieder ins Wasser gleitet – und dann haut er ab, so schnell
er kann. Die Männer schimpfen hinter ihm her.
Heute geht alles schief.
|