25.
Flug- und Schulangst
Quops hat fest vor, seinen Eltern die Sache mit dem Bunker nicht zu
erzählen. Die regen sich doch nur auf und – es war ja nichts weiter.
Doch als er abends im Bett liegt, muss er immer an die Schritte
denken. Er wuselt sich in seine Bettdecke wie in eine Höhle, doch er
kann einfach nicht einschlafen. In der Deckenhöhle hört er sein Herz
klopfen.
Da wird leise die Zimmertür geöffnet. Quops ist wie gelähmt und kann
sich nicht rühren. Wie im Bunker. – „Schläfst du schon?“ flüstert
eine Stimme. Seine Mutter?! Quops kriecht aus der Decke heraus: „Och
nö – nur so halb“ murmelt er. –
„Ich wollte dich nicht wecken!“ sagt seine Mutter, „aber ich muss
dir was sagen! Ich halt’s nicht aus bis morgen früh. Ich freu’ mich
halt so!“ – Quops setzt sich im Bett auf: „was is’ denn?“ fragt er
und reibt sich die Augen. – „Stell’ dir vor, was der Papa eben
mitgebracht hat, als er heimgekommen ist!“ – „Ja, was denn?“ –
„Flugtickets! Wir fliegen nächstes Wochenende zusammen nach England,
nach London! Da hast du ja vier Tage schulfrei!“
Quops sucht den Schalter von seiner Nachttischlampe: „Zeig’ sie mal
her, die Tickets!“ sagt er und ist hellwach. Fliegen! Wie lange
wünscht er sich das schon. Tops ist schon dreimal geflogen und fand
es toll.
„Dann macht dir auch das Englischlernen mehr Spass – nach den
Sommerferien – im Gymnasium!“ meint Quops’ Vater und steckt den Kopf
zur Zimmertür herein.
Quops’ große Freude bekommt einen Knacks. Das Gymnasium! Oh je!
Davor hat er eine Riesenangst. In vier Wochen ist die Grundschulzeit
zu Ende. Und nach den Ferien .... Und Tops wird auf die Realschule
gehen. Wenn der wenigstens dabei wäre.
Ganz verwirrt schaut Quops auf die Flugtickets, die ihm sein Vater
jetzt vor die Nase hält: „Da siehst du, so sehen die aus!“ – Quops
blättert in den Ticketheftchen und findet sein Ticket: „Was heißt’n
das? Mr. Kai Wolpert – Mr.?” – “Mr. – das heißt Mister, also Herr”,
erklärt seine Mutter, “weißt du das nicht?“ – Quops kichert: „Mister
– Mister Quops!“
Drei Tage später sitzt Quops in einer Boeing 737. Sein Kopf ist rot
wie eine Tomate, und sein Herz klopft noch viel lauter als im
Bunker. Er ist angegurtet und wartet auf den Start. Durch sein
Fenster sieht er weit hinten einen Flieger landen. Da – plötzlich
drehen die Motoren auf, heulen los, und dann beginnt das Flugzeug zu
gleiten. Quops starrt auf das Rollfeld, das immer schneller an ihm
vorbeisaust. „Mensch, was der loslegt!“ denkt Quops. Durch die
Beschleunigung wird er in den Sitz gedrückt. Und plötzlich weicht
die Startbahn unter ihm zurück. „Jetzt flieg’ ich!“ denkt Quops, und
schon sieht er unter sich einen Wald, Fabrikanlagen klein wie
Legosteine, einen Fußballplatz mit winzigen Spielern – und dann
pufft weißer Nebel an sein Fenster. „Jetzt geht’s durch die Wolken!“
sagt seine Mutter. Quops klammert immer noch die Hände ineinander.
Er ist so aufgeregt. Es ist so toll!
Er genießt den Flug vollauf. Alles was er unten zu sehen kriegt. Den
Imbiss. Das Ministofftier, das der Steward ihm schenkt. Und die
Sonne über den Wolken, die so gelb und quobbelig aussehen wie
Vanillepudding mit Eischnee.
Und nach einer Stunde bei der Landung in London ist Quops schon ein
alter Flughase. Als der Flieger auf der Landebahn aufsetzt –
propppropp – bläst er den Atem von sich. „War echt geil. Krass!“
sagt er.
Auf dem Weg zum Kofferband werden sie durch eine große Kindergruppe
aufgehalten, die ihnen entgegenkommt. Quops reißt die Augen auf. Wie
sehen die denn aus? Alle gleich! Alle haben dunkelblaue Hosen an,
hellblaue Hemden, und alle die gleichen Jacken. Sein Vater grinst,
als er Quops’ dummes Gesicht sieht. „Das ist ’ne englische
Schulklasse!“ erklärt er, „in England müssen die Schüler auf manchen
Schulen Uniformen tragen. Vor allem im Gymnasium, glaub’ ich!“ – Im
Gymnasium! Quops ist geschockt. Wenn er so rumlaufen müsste im
Gymnasium. Das wäre ja ätzend. Grässlich. „Gott sei Dank ist das bei
uns nicht so!“ ächzt Quops. Und plötzlich findet er den Gedanken,
nach den Sommerferien aufs Gymnasium zu müssen, nicht mehr ganz so
schlimm.
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