19.  Mausebesuch und...

 

Papa Korno fuhr aus dem Schlaf auf, er glaubte ein verdächtiges Geräusch gehört zu haben. Er wischte sich mit der Pfote über die Augen und schaute sich um. „Wir wollen euch doch nur besuchen — nicht erschrecken!“ tönte es neben dem Nest.
Müsy war zu Besuch gekommen, zusammen mit ihrer Tante, der Frau von Onkel Mausmops, den der Totengräber mit der Schaufel erschlagen hatte. „Was raschelt denn da hinter Ihnen herum, Frau Mausmops?“ fragte Mama Salamine und spitzte ihre Ohren. — Ach, das ist nur Mausmöpschen, mein Jüngster! Ich musste ihn mitbringen, weil er sonst zu Hause etwas anstellt!“
Mausmöpschen kroch unter seiner Mutter hervor, schubste sie in den Bauch — und begann an ihren Milchzitzen zu nuckeln. „Oh, ist der süß!“ quiekte Kässy. Mausmöpschen wedelte beim Saugen mit seinem winzigen Schwanz und grub seine rosa Vorderpfötchen in das Bauchfell seiner Mutter. Alle Mausekatzkinder schauten begeistert zu.
Doch wie kleine Kinder halt so sind — Mausmöpschen war schnell satt und voller Tatendrang. Es krabbelte von seiner Mutter weg, zum Holzstoß, und in alle Ritzen, die es finden konnte. Müsy lief hinterher, um aufzupassen.
Nach kurzer Zeit kam sie aufgeregt zurück: „Mausmöpschen ist verschwunden — ich finde es nicht mehr!“ — „Ach, das kommt schon wieder, wenn es alles untersucht hat“, sagte Frau Mausmops, lehnte sich bequem ins Nest und erzählte ausführlich die Geschichte von Müsys Errettung vor dem Falken.
Schoggel blickte derweil unruhig zum Holzstoß, und im allgemeinen Gequieke merkte keiner, dass er sich davonmachte.
Alle schraken auf, als plötzlich ein schriller Piepser aus der hinteren Schuppenecke gellte — Frau Mausmops rannte los. Als sie zurückkam, trug sie Mausmöpschen im Maul, und das jammerte herzzerreißend. Frau Mausmops schoss böse Blicke auf Schoggel, der wie ein begossener Pudel hinter ihr hertappte: „Euer Schoggel hat mein Mausmöpschen gebissen!“ quäkte sie, und tatsächlich, Mausmöpschens zartes Öhrchen zeigte zwei blutige Löcher von Schoggels Nagezähnen. Mama Salamine wollte auf Schoggel los, der aber verkroch sich hinter Papa Korno und piepste: „Es hat mein Geschenk kaputtgemacht, mein schönes Geschenk — für Müsy !“ — Mama Salamine hörte aber gar nicht zu, sondern fauchte zornig: „Du bist schlimmer als der schlimmste Kater! Wie kannst du ein Baby beißen!? Na warte, wenn ich dich kriege!“
Schlimmer als der schlimmste Kater! Das war hart für Schoggel — dann konnte er ja gehen! Mit einer Mauseschnute und gesenktem Kopf schlich er sich weg, durchs Schuppenloch hinaus.
Papa Korno wollte gerade die Schnauze aufmachen, um etwas zu quieken, da flitzte Schoggel wieder zum Wandloch hinein, sein Nackenfellchen war gesträubt, und er platzte heraus: „Draußen auf der Gartenmauer sitzt eine Katze, eine weiße Katze — bin ich erschrocken!“ Mama Salamine lief zum Wandloch und schaute hinaus: „Die ist noch klein“, sagte sie, „und kleine Katzen sind dumm!“ — „Ach was, dumm“, sagte Müsys Tante, „wenn sie tüchtig frisst, ist so eine Katze genauso schnell groß wie unsereins, und schlau genug, uns zu fangen, sind die Untiere allemal!“ — Papa Korno runzelte nachdenklich die Stirn: „Wenn die Katze tüchtig frisst . . . Sie meinen wohl, wenn sie uns alle frisst, wächst sie rasch . . .“ — „Oh Gott, wie soll ich bloß wieder nach Hause kommen zu meinem Komposthaufen auf dem Friedhof?“ schrie Frau Mausmops, „Klein-Mausmöpschen kann doch noch nicht so schnell laufen !“ — „Bäh, wenn es tüchtig frisst, wird es schnell groß !“ sagte Schoggel patzig und guckte frech auf Mausmöpschen, das schon wieder an seiner Mutter Milchzitzen hing und nuckelte. Mama Salamine gab ihm einen Klaps mit der Pfote und funkelte ihn mit bösen Augen an. „Pass du nur auf, dass dich die neue Katze nicht als erstes frisst !“ grummelte sie. Schoggel war wirklich böse heute, war wohl mit der linken Pfote zuerst aus dem Nest gestiegen; er knurrte etwas und bleckte seine Zähne gegen Mama Salamine.
Der Streit wäre sicher noch weitergegangen, wenn Kässy nicht plötzlich mit starrem Blick zum Wandloch geschaut hätte und mit zittrigem Stimmchen gepiepst hätte: „Da, dadada !“ Alle fuhren herum und sahen eine weiße Katzenpfote, die durch das Loch hineinfuhr, wieder herausgezogen wurde, sich wieder hereinschob und nach einem Strohhalm grapschte. Die Mäuse verzogen sich lautlos hinter den Holzstoß, und Papa Korno quiekte leise: „Tja, kleine Katzen sind neugierig, neugierig und verspielt!“ — „Und sie spielen gerne mit toten Mäusen, hat meine Urgroßmutter immer gesagt!“ pisperte Frau Mausmops, und die ganze Familie Mausekatz sah sie entsetzt an.
 

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