10. Ein
neuer Feind
Schoggel, Kässy, Zucko und Mehlinchen
spielten im Möhrenbeet ihr neues
Lieblingsspiel Schwanzfangen. „Wenn man den
Schwanz senkrecht hochstreckt, gilt es
doch nicht!“ wehrte sich Kässy gerade,
denn Schoggel hielt ihre Schwanzquaste
fest und quiekste: „Gewonnen! Gewonnen!
Du hattest ihn nicht richtig oben!“
— „Und ob
ich ihn oben hatte!“
— „Du
lügst!“ -- Ein Wort gab das
andere, und schon war der dickste
Streit im Gange.
In der Hitze der Diskussion merkte
keines der Mäusekinder, dass sich
weiter rechts im Möhrenbeet das
Möhrenkraut sachte bewegte. Dann einmal
ein ganz leises Rascheln
— Mehlinchen
hatte es gehört, konnte aber nichts
sehen und wandte sich wieder den
Streitmäusen zu.
Plötzlich ertönte ein gellender Quieker.
Mehlinchen hatte ihn ausgestoßen und
war gleichzeitig mit allen Vieren in
die Luft gesprungen.
Die Mausekinder fuhren zusammen, drehten
sich nach Mehlinchen um
— es
hatte ein bisschen hinter ihnen
gesessen
— und
sahen, wie Mehlinchen sich langsam
rückwärts ins Möhrenkraut drückte und
wie gebannt auf einen Punkt starrte.
Was war da nur? Sie konnten
nichts erkennen. Dabei konnten sie im
Dunkeln gut sehen
— doch
nur Möhrenpflanzen und eine abgeerntete
Stelle mit Unkraut waren zu sehen
— und ein
dicker Stock, der zwischen dem Unkraut
lag.
Doch was war das? Hatte sich der
Stock nicht gerade ein ganz klein
wenig bewegt? War es am Ende...?
„Eine Schlange! Eine Schlange!“ schrie
Schoggel. „Flieht! Rennt um euer
Leben!“
Atemlos kamen alle im Nest hinter
dem Viezfass an. Alle? Nein,
Mehlinchen fehlte.
„Um Himmels Willen!“ stöhnte Papa
Korno, „es wird ihm doch nichts
passiert sein!“ Er lief die
Kellertreppe hoch.
Alle warteten stumm. Zucko schluchzte
leise. Der Schreck
— und
jetzt die Angst um Mehlinchen.
Es dauerte lange, viel zu lange,
bis sie oben an der Kellertreppe
etwas hörten. Papa Korno kam zurück.
Er hatte Mehlinchen nicht gefunden.
Als der Morgen dämmerte, machte sich
die ganze Familie noch einmal auf
den Weg, um vielleicht doch noch
eine Spur von Mehlinchen zu finden.
Vorsichtig suchten sie das Möhrenbeet
ab, vor allem den Platz, wo sie
Mehlinchen zum letzten Male gesehen
hatten
— nichts,
kein Härchen, keine Spur. Sie riefen
laut nach Mehlinchen. Nichts!
Mama Salamine fing an zu weinen,
und auch Papa Korno liefen die
Tränen über die Schnauze, und er
seufzte laut.
Da
— alle
lauschten! Hatte da nicht etwas
gepiepelt? „Piep
— piep!
Papa Korno, bist du da?“ wisperte
es so leise wie Fliegenhusten. Es
war Mehlinchens Stimme.
Alle Mäuse drehten sich im Kreise
und suchten den Boden mit ihren
Augen ab.
Ein kleiner brauner Feldstein begann
plötzlich zu wackeln
— und
darunter hervor kroch Mehlinchen. „Ihr
seid es! Gott sei Dank! Ich
dachte zuerst, die Schlange ruft mich!
Die schreckliche Schlange, die wollte
mich fressen! Doch dann hab’ ich
Papa Korno seufzen gehört!"
Es stellte sich heraus, dass
Mehlinchen sich die ganze Nacht in
einer kleinen Erdkuhle unter dem Stein
versteckt hatte und sich nicht getraut
hatte, herauszukommen.
Überglücklich leckte Mama Salamine
Mehlinchen ab, denn es war voller
Erde. Und dann liefen alle heim
ins Nest, und Mama Salamine holte
aus ihrem Vorratsloch eine steinharte
Schweizerkäserinde, die sie für besondere
Gelegenheiten aufgehoben hatte.
Sie fand, heute war eine besondere
Gelegenheit.
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