14. Das Ende des
Jägers
Es
war spät am Abend. In der Gaststube war es ruhig; nur noch zwei
verschlafene Stammgäste hingen über der Theke, und Zucko
beschnüffelte gerade ein Stück Brezel, das er unter einer Bank
gefunden hatte. Da geschah es. Er fühlte sich gepackt, im Genick,
hin und her geschleudert.
Zucko wusste, der Kater hatte ihn erwischt.
Der Kater ließ sein Opfer fallen. Zucko plumpste auf den Boden und
sah über sich das Schnurrbartgesicht seines Todfeindes. Zucko war
wie gelähmt, zuerst, dann setzte er sich mühsam auf, fasste den
Entschluss, sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen. Er schaute
seinem Jäger in die Augen, schnellte sich hoch und versuchte, dem
Kater seine Nagezähne in die Nase zu hacken. Der Kater schüttelte
nur den Kopf, und blitzschnell packte er Zucko erneut. Nicht fest
biss er zu; er wollte noch mit seinem Opfer spielen, ehe er es
verspeiste. Zucko flog in die Luft, landete an der Gaststubentheke;
alle Glieder taten ihm weh, aber er raffte sich auf.
Fliehen, fliehen war nun sein einziger Gedanke. Irgendwie gelang es
ihm, in den Flur zu laufen. Der Kater hinter ihm. Betupfte ihn mit
seiner großen Pfote, gab ihm einen solchen Schubser, dass er durch
die offene Haustür auf den Bürgersteig flog.
Fliehen, fliehen, Zucko! Halb betäubt drehte sich Zucko auf die
Pfötchen und krabbelte mit letzter Kraft auf die Straße, einfach
geradeaus auf die Straße. Der Kater? Wo blieb er?
Zucko schaute zurück. Der Kater duckte sich in der Haustür und
starrte ihn mit seinen gelben Augen an. Fliehe weiter, Zucko!
Zucko hatte alles um sich vergessen, nur fort, fort musste er, dem
Kater entkommen. Er bemerkte kaum, dass es hinter ihm quietschte,
Bremsenquietschen, hörte nicht den Schlag, nichts. Als er auf der
anderen Straßenseite angekommen war, setzte er sich auf und schaute
zurück. Mitten auf der Straße lag der Kater auf der Seite. Er
lauerte nicht und blickte Zucko nicht an.
Zucko war so zerschlagen, er wollte nur in irgendein stilles
Eckchen, sich verkriechen.
Nachdem er eine halbe Stunde unter einer Hecke geruht hatte, ging es
ihm besser, und er wollte nach Hause laufen. Als er an den Rand des
Bürgersteiges kam, sah er halb erschrocken, halb erstaunt, dass der
Kater immer noch auf der Straße lag. Genauso wie vorhin. Zuckos
Äuglein glänzten im Laternenlicht, und er betrachtete den Kater
lange. Schlief er? Auf der Straße?
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite erschien plötzlich Papa
Korno. Vielleicht suchte er Zucko. Papa Korno blieb lange stehen,
als er den Kater auf der Straße bemerkte. Dann schlich er sich
seitlich an den Kater heran, näherte sich ihm zaghaft, schnupperte,
wich zurück
— lief plötzlich
ganz mutig um den Kater herum und
— Zucko traute
seinen Augen nicht
— Papa Korno
kletterte dem Kater auf den Bauch.
„Der Kater ist tot! Mausetot! Der Kater ist tot!“ quiekte Papa Korno
laut heraus.
Papa Korno und Zucko wussten nicht, dass ein Auto den Kater getötet
hatte. Sie wussten nur, der böse, böse Feind war tot.
Wenig später sah der Wirt des Gasthauses in Apfelborn aus seinem
Schlafzimmerfenster auf die stille Straße hinunter
— und sah ein Bild,
das er nie mehr vergessen sollte.
Mitten auf der Straße lag seine Hauskatze, und um sie herum tanzten
fünf, sechs, sieben Mäuse. Sie stellten sich auf die Hinterbeine,
rieben die Pfötchen, quirlten und tobten, sprangen auf den Kater,
hoch und runter, kreuz und quer, als sei der Kater nichts als ein
kleiner Erdhubbel. Dabei stießen sie schrille Pfiffe aus.
„So ein Mist!“ brummelte der Wirt, „die Katz’ ist überfahren worden!
Jetzt werd’ ich der Mäuse im Haus gar nicht mehr Herr!“
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