24. Das
Geschenk für Müsy
Ein
paar Tage nach Papa Kornos Erzählstündchen setzte eisiger Frost ein.
Schoggel erschrak, als er aus dem Schuppenloch hinausschnupperte und
über sich am Schuppendach lange, spitze, durchsichtige Zapfen hängen
sah, die er dort vorher nie gesehen hatte. Mama Salamine beruhigte
ihn: „Eiszapfen fressen keine Mäuse!“ und meinte dann: „Wie wäre es,
Schoggel, wenn du heute mal dein Geschenk zu Müsy bringst? Der Boden
ist gefroren und schön glatt; da rutscht das Geschenk gut und wird
dir auf dem Weg zu Müsys Nest auf dem Friedhof nicht so schwer!“
„Prima Idee!“ nickte Schoggel, und zusammen mit Zucko zerrte er das
Geschenk aus dem Holzstoß.
Nach dem Besuch von Müsy und Frau Mausmops vor einiger Zeit hatte
Schoggel es gar nicht mehr gewagt, von dem Geschenk zu reden. Denn
Klein-Mausmöpschen hatte ja ein Loch hineingenagt, er hatte
Mausmöpschen dafür gebissen, und es war zum Streit gekommen.
Doch jetzt, bei der Eiseskälte, konnte Müsy sein Geschenk gut
gebrauchen. Es handelte sich nämlich um einen mit Fell gefütterten
Fausthandschuh, den ein Menschenkind auf dem Weg hinter dem Schuppen
verloren hatte. Schoggel hatte ihn gefunden und gedacht, so ein
Fellhandschuh wäre eine herrlich warme Winterhöhle für Müsy. Das
Loch von Mausmöpschens Zähnen war nicht allzu groß, und man konnte
es mit Gras zustopfen.
Nachts, als die Straße zum Friedhof völlig ausgestorben war, machten
sich die beiden Brüder auf den Weg. Zuerst schleiften sie den
Fausthandschuh auf dem eisglatten Boden hinter sich her, dann
machten sie sich einen Spaß daraus, sich gegenseitig darauf zu
ziehen wie auf einem Schlitten.
Sie waren so vertieft in ihr Spiel, dass sie den schwarzen Schatten,
der sich am Nachthimmel näherte, erst in allerletzter Sekunde
bemerkten.
Tyto, die Friedhofseule, aber dachte: „Waren da nicht eben zwei
Mäuse? Jetzt liegt da nur ein alter Handschuh!“
Tyto flog auf das Dach der Friedhofskapelle und beobachtete den
Handschuh. Der alte Eulenmann ahnte nicht, dass die Mäuse mit
klopfenden Herzen darunter saßen.
Tyto lauerte geduldig, und als Zucko nach längerer Zeit vorsichtig
unter dem Handschuh hervorlugte, sah er den Eulenmann auf dem
Kapellendach sitzen — und zog flugs sein Näschen wieder zurück.
Das Loch, das Mausmöpschen in den Handschuh genagt hatte, erwies
sich jetzt als sehr praktisch. Die beiden Mäuse konnten nämlich so
von unten in den warmen Handschuh krabbeln und ein kleines
Schläfchen halten.
Als sie wieder aufwachten, war die Eule Tyto verschwunden, und sie
beeilten sich, den Handschuh nun endlich zu Müsys Nest im
Friedhofskompost zu schaffen.
Zum Komposthaufen, ja, wenn sie den gefunden hätten! Sie konnten ja
nicht wissen, das der Friedhofsgärtner den Haufen am Tag zuvor
abgeräumt hatte. Verdutzt standen die beiden mit ihrem Geschenk vor
dem kahlen Erdfleck, auf dem Müsys Heim gelegen hatte. Was war denn
hier passiert? Und wo war Müsy?
Ein klägliches Pfeifen klang aus einiger Entfernung in ihre Ohren.
Sie suchten und fanden Müsy in einem Erdloch unter einem
umgefallenen Grabstein. Zusammen mit Mausmöpschen kauerte sie da
unter einer Schichte welker Blätter, die Beinchen steif vor Kälte,
und jammerte.
Wie waren die zwei heimatlosen Tierchen so glücklich, als sie in die
warme Fellhöhle kriechen konnten. Das letzte, was Schoggel und Zucko
von den beiden sahen, waren ihre blaugefrorenen Schwänze, wie sie
sich in den Handschuh ringelten.
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