25. Wie Mehlinchen weiß wurde

 

Mama Salamine und Papa Korno waren ausgegangen. Herr Mäusemeyer aus dem Gasthaus mit dem Viezfass hatte sie zu seiner Geburtstagsparty eingeladen. Es sollte ein kaltes Insektenbüfett geben und Tanz im Möhrenbeet. Und Mama Salamine und Papa Korno tanzten wie alle Mäuse für ihr Leben gern.
Kaum waren die Eltern außer Sichtweite — da schwankte Mehlinchen heran. Das heißt, Kässy vermutete, dass das, was da auf das Nest zukam, Mehlinchen sei. Der Ankömmling war nämlich völlig eingehüllt in Spinnweben; Gesicht, Rücken, Bauch, Beine, man sah schier nur noch die Ohren aus dem Spinnenschleier herausspitzen.
„Hilfe, Hilfe!“ kreischte Mehlinchen, „ich kann nichts mehr sehen!“ Kässy packte entschlossen einen Strohwisch und begann, die klebrigen Weben abzubürsten; danach leckten Kässy und Zucko Mehlinchen noch rundherum ab.
„Was hast du denn da nur gemacht ?“ fragte Kässy, und Mehlinchen piepelte: „Ich wollte doch nur die dicke, dicke Spinne fangen, in der Ecke hinter dem Holzstoß — und da hab’ ich mich halt in ihrem Netz verwickelt !“
Mehlinchen weinte ein bisschen, obwohl ja alles wieder in Ordnung war. Kässy wollte es trösten und sagte. „Ich hab’ was für dich, Mehlinchen! — Bei der Bäckerei auf der anderen Straßenseite ist ein Kellerfenster kaputt. Wollen wir dahin laufen und Mehl naschen?“ — „Mehl, Mehl, au ja !“ quiekte Mehlinchen freudig — und prompt machten sie sich auf zur Bäckerei.
Problemlos gelangten sie in den Keller, fanden auch ganz schnell einen Stapel von Mehlsäcken, und Mehlinchen begann zu nagen. Das ging flott — rispelraspel bohrten sich Mehlinchens Zähne durch das doppelwandige Packpapier eines großen Sackes. Gierig erweiterte Mehlinchen das Loch zu einem breiten Schlitz — doch das nahm der Mehlsack übel: Mit einem dumpfen „Wluppsch“ platzte er auseinander, eine Mehllawine ergoss sich über Mehlinchen und eine riesige weiße Staubwolke hüllte alles ein.
Kässy, die in einem Nebenkeller mit Vorratsregalen eben ein zerbrochenes Ei ausschlabberte, rannte erschrocken herbei. Aber erst, als sich der Mehlstaub etwas gelegt hatte, konnte sie das Ausmaß des Unglücks erkennen. „Mehlinchen!“ schrie Kässy und begann wie wild mit den Vorder- und Hinterbeinen in dem Mehlberg zu scharren und zu graben. Gewiss war Mehlinchen darunter verschüttet, und sie musste es retten.
Wie war Kässy erleichtert, als unter dem Mehl Bewegung spürte und schließlich Mehlinchens Hinterteil zum Vorschein kam.
Mehlinchen schnaufte und nieste und hustete, als es ganz aus dem Mehl hervorgewühlt war. Es war schneeweiß, weißer als die weiße Maus. Selbst der Schnurrbart und die Schwanzquaste waren bemehlt, und Kässy quiekte mit heiserem Stimmchen: „Oh weh, oh weh ! Du hättest ersticken können, Kleines!“
Schweigend verließen die Mauseschwestern den Mehlkeller. Der Schreck saß ihnen noch in den Knochen, und sie wollten rasch nach Hause.
Als sie um die Schuppenecke bogen, prallten sie zurück. Um die Ecke bog doch just im selben Augenblick — ein weißer Katzenkopf.
Mehlinchen sprang vor Schreck mit allen Vieren in die Luft — und das rettete ihnen möglicherweise das Leben. Durch den Sprung puffte nämlich das Mehl aus Mehlinchens Fell heraus, und es entstand eine solche Mehlwolke, dass die kleine weiße Katze verblüfft zurückfuhr und das Weite suchte.
Als sie im Nest ankamen und Zucko und Schoggel darin vorfanden, blähte sich Mehlinchen auf wie ein kleiner Frosch und quakte: „Ich habe eine Katze verjagt! Ich, ganz alleine!“
 

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