7.
Professor Mausakow
Einige Tage nach Onkel Mausberts
Besuch stürmte Schoggel die Kellertreppe
hinunter und quiekte laut: „Bei
Mäusemeyers gibt’s was Tolles! Einen
Mäusemann aus Russland! Ein richtiger
Professor aus Moskau! Er hat einen
Lockenschnurrbart und eine weiße
Schwanzquaste und eine Brille aus
purem Gold! Und er ist wirklich
ein richtiger Professor, sagt Frau
Mäusemeyer!“
„Quiek keinen Unsinn!“ sagte Papa
Korno, doch Schoggel hatte recht. Im
Nachbarhaus in Apfelborn, wo Familie
Mäusemeyer im Kartoffelkeller ihr Nest
hatte, war eine große Kiste aus
Russland eingetroffen; eine Kiste voller
russischer Matrjoschkapuppen, das sind diese
hölzernen hohlen Puppen, die immer
wieder ein Püppchen im Bauch haben.
Die Puppen aber waren in viel
Weizenstroh verpackt gewesen, und in
diesem Stroh war Professor Mausakow
als blinder Passagier nach Deutschland
gereist.
Professor Mausakow war in Russland ein
sehr berühmter Mäusewissenschaftler. Er
beschäftigte sich mit Kornologie und
hielt vor anderen gelehrten Mäusen
kluge Vorträge über Gerstenkörner,
Roggenkörner und Weizenkörner.
Zum Glück konnte er auch recht
gut Mäusedeutsch quieken, denn in
Apfelborn konnte kein Mauseschwanz Russisch.
Um sich für die gastliche Aufnahme
bei Mäusemeyers zu bedanken
— man
hatte ihn mit Regenwurmgulasch und
einem Fleischwurstzipfel bewirtet
— wollte
Professor Mausakow einen Vortrag halten
„Über die besondere Bedeutung des
Roggenkorns für die Ernährung der
Magermaus“ und lud dazu alle
Apfelborner Mäuse in Mäusemeyers Keller
ein.
Es war eine stürmische Herbstnacht,
als sich die Mäuse im Keller
versammelten. Frau Mausss hatte zu
Ehren von Professor Mausakow ihr Fell
mit Rosentau gewaschen und ihre
Nasenspitze mit Schmalz zum Glänzen
gebracht. Auch alle anderen Mäuse
waren in Feststimmung.
Es war mucksmäuschenstill, als Professor
Mausakow hinter einem Kartoffelhaufen
hervorkam, und andächtig lauschten die
Mäuse dem hochgelehrten Mäuserich. „Das
Roggenkorn ist als solches überaus
relevant für die Ernährung der Maus“,
begann Professor Mausakow, und alle
Mäuse glotzten mit großen Augen. Kässy
piepste leise: „Mama, was ist
relevant?“
—
„Psst!“ piepste Mama Salamine, „halt
die Schnauze!“
Professor Mausakow hatte mittlerweile
einiges über das Eiweiß im Roggenkorn
heruntergeleiert und zählte gerade die
Cholesterinwerte von Roggenversuchsmäusen auf.
Schoggel gähnte laut, und Papa Korno
gab ihm einen Stups. Dabei bemerkte
er, dass Mehlinchen auf seinem Schoß
eingeschlafen war. Auch Herr Mausss
neben ihm hatte die Augen geschlossen
und den Schwanz zum Schlafen
eingerollt.
Professor Mausakow aber redete und
redete und war so in seine
Roggenkornpredigt vertieft, dass er gar
nicht mitbekam, wie die Zuhörer
allmählich alle in sich zusammensackten
und einschliefen; und er störte sich
auch nicht daran, als Herr Mausss
laut zu schnirchen begann.
Nur Frau Mausss himmelte den Professor
an, obwohl sie keinen Quieker
verstand.
Eben hatte Professor Mausakow ein
Schaubild mit einem mäusegroßen Roggenkorn
auseinandergerollt, da gab es im
hinteren finsteren Teil des Kartoffelkellers
ein leises Geräusch
— eine
Kartoffel schien über den Boden zu
kullern. Und da
— Frau
Mausss erstarrte
— hinter
dem Rücken des Professors glühten im
Dunkeln zwei riesige grüne Augen.
Frau Mausss wollte schreien, sie riss
ihre Schnauze weit auf, doch es
kam kein Piepser hervor.
Professor Mausakow bemerkte nichts von
alledem, sondern sprach nun von seinem
Buch „Die Spezialhaut des unreifen
Roggenkorns“
— da
sausten die grünen Augen durch die
Luft
— ein
Plumpser, ein schriller Quieker, und
Professor Mausakow war unter einer
grauen Masse begraben: Der Kater hatte
ihn erwischt!
Durch den Lärm erwachten die Mäuse
alle und stoben in Panik auseinander;
Frau Mausss aber war in Ohnmacht
gefallen.
Als sie wieder zu sich kam, war
der Kater verschwunden, und an der
Stelle, wo Professor Mausakow seinen
Vortrag gehalten hatte, war ein
Blutfleck, in dem eine goldene Brille
lag.
Die Mäuse aber hörten bis in die
Winkel und Löcher des Kartoffel-kellers,
in die sie geflüchtet waren, den
bösen, bösen Kater schmatzen.
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