15.
Der Albtraum
Heute war ein Tag, wie Quops ihn öfter haben möchte. Wohlig müde
kuschelt er sich ins Bett. Es ist nicht sein eigenes Bett, sondern
ein Bett in einer Pension am Gardasee. Quops ist mit seinen Eltern
für eine Woche dort in Osterurlaub. Und heute, am ersten warmen Tag,
ist er zwei Stunden mit seinen Eltern auf dem See Tretboot gefahren,
gestrampelt hat er wie wild und ist total k.o.. Auf der Nase hat er
einen Sonnenbrand, es juckt etwas – doch es war soo toll – vor
allem, als sie ins Kielwasser des großen Dampfers geraten sind und
das Tretboot geschaukelt hat wie die Schiffsschaukel auf dem
altmodischen Jahrmarkt, den er im Frühjahr besucht hat. Und
rundherum die Berge, und wie der dicke Fisch direkt neben ihm aus
dem Wasser gesprungen ist, und danach der Krokanteisbecher!
Ein lautes Geräusch im Zimmer nebenan. Quops horcht und blinzelt zum
Fenster. Der Vollmond spiegelt sich auf der Scheibe. Quops denkt an
die Fledermäuse, die auf dem Heimweg abends um sie herumgeflogen
sind. Ganz viele. Kleine dunkle Schatten. Flitzten im Laternenlicht
um den alten Kirchturm herum und verschwanden hinter dunklen
Baumkronen. So was gab’s zu Hause nicht. Allmählich döst Quops ein.
Und sitzt mit seinem Vater in einer großen Kirche. Eine Kirche mit
enorm vielen grauen Säulen. Quops schaut umher und an der Decke der
Kirche erscheint ein riesiges Glasfenster – irgendwie kommt es Quops
bekannt vor. Und da: Durch das Glasfenster sieht er ein komisches
Ding. Es ist rund, mit vielen hellen Lichtern. Es nähert sich, wird
immer größer. Es gleitet am Himmel über der Glasfenster vorüber.
Quops weiß, das Ding ist eine fliegende Untertasse.
Plötzlich steht er am Fenster eines Hochhauses. Der Raum ist wie
sein Klassenzimmer. Er schaut hinaus auf den Schulhof; nur viel,
viel größer ist der als in Wirklichkeit. Am Himmel wieder die
Untertasse. Quer fliegt sie vorüber. Lautlos. Riesengroß. Sie hat
nun nur noch zwei bunt leuchtende Ausleger, wie ein Kran. Hinterher
jagen drei Militärflugzeuge. „Das sind Tornados!“ sagt eine Stimme,
„sie verfolgen sie!“
Die Flugzeuge verschwinden, und der Himmel über dem weiten Schulhof
ist ganz finster.
Da gibt es links hinter dem Schulhof einen Knall, eine Explosion –
ein schwarzes Hochhaus fliegt langsam durch die Luft, kracht auf den
Schulhof und zerfällt in lauter Krümel. „Schnell raus hier!“ brüllt
Quops’ Vater, „wir sind auch in einem Hochhaus!“ – Quops hat solche
Angst! Er hat sechs Beine und rast mit seinem Vater die Treppe
hinunter, eine Wendeltreppe, die immer immer weitergeht – plötzlich
eine Wiese, eine Allee, und dort verkriechen sich beide unter einer
Parkbank. Sie starren auf einen Kirchturm – fliegt er weg? Ein
knirschendes Geräusch ... Quops schlägt die Augen auf. Verwirrt.
Heiß ist ihm. Was ist das für ein Geräusch? Langsam kommt er aus dem
Traum in die Wirklichkeit zurück. Irgendwo im Haus sirrt es wie eine
Bohrmaschine.
Quops setzt sich im Bett auf und guckt sich im Zimmer um. Draußen
ist es sonnig und die Palme vor seinem Fenster bewegt sich sachte.
Quops langt nach einer Tüte Bonbons auf seinem Nachttisch und
schiebt sich ein mopsiges Schokobonbon in den Mund. Schmatzend
schaut er aus dem Fenster, und die Spatzen, die sich in den
Palmwedeln eine Verfolgungsjagd liefern, verscheuchen die letzten
Gedanken an die glitzernde Untertasse.
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