21.
Tonnykid
Feierabendverkehr. Quops trottet am Bordsteinrand entlang. Er muss
nach Hause. Ein Fahrradfahrer saust dicht an ihm vorbei, so dass er
den Luftzug spürt. Quops ist missmutig.
Den halben Nachmittag hat er mit Tops Lassowerfen gemacht. Es geht
ihm nicht in den Kopf rein, wieso Tops das schon so gut kann. „Der
muss doch wahnsinnig geübt haben!“ denkt Quops. Einen alten
Schrubber haben sie in die Wiese gerammt, und Tops hat es elfmal
geschafft, das Lasso drumzuwerfen. Und er, er hat es keinmal
geschafft. Und Tops, der Blödmann, hat so überlegen getan. Er hat
die Nase voll von Tops für einige Zeit. Quops fuppt eine
Zigarettenschachtel weg, die ihm vor die Füße gerät. Sie fliegt
schräg auf die Straße, ein LKW fährt darüber, und sie ist platt.
Auf den letzten zwanzig Metern vor der Haustür fällt es Quops heiß
ein, dass er noch zwei Zeichnungen für Sachkunde machen muss. Jetzt
wird seine Mutter wieder denken, er hätte sie beschwindelt, als er
vorhin sagte, er hätte alle Aufgaben gemacht. Quops beschließt, erst
seine Wildwestserie zu gucken, im Fernsehen, Tonnykid, und dann erst
wird es ihm einfallen, dass er noch die Zeichnungen machen muss !
Vor dem Fernseher sitzt bereits sein Vater. Sonst ist er nie so früh
zu Hause. Sie schauen zusammen. Tonnykid schießt mit einem Angeber
um die Wette, gewinnt natürlich. Tonnykid steckt den Colt in den
Halter, und Quops’ Vater sagt plötzlich: „Du, Kai, am Wochenende ist
Kirmes in Schwöhrbach. Sollen wir da hinfahren und an der Schießbude
schießen?“
Quops ist begeistert. Das wollte er schon immer mal, auf der Kirmes
schießen. Aber immer hieß es: Du bist noch zu klein!
Am Samstagnachmittag geht’s los. An der Schießbude ist ein
Riesenandrang. Sie fahren zunächst Autoscooter. Zweimal. Dann
futtert Quops eine Tüte Popcorn. Und dann, dann ist an der
Schießbude eine Lücke. Sein Vater schiebt Quops vor sich her, und
sie drängeln sich zwischen zwei junge Burschen. „Zehn Schuss!“ sagt
Herr Wolpert. Dann kriegt er ein Gewehr und legt es fachmännisch an.
Quops passt genau auf. Sein Vater schießt dreimal auf ein
Minibärchen. Es klappt. „Jetzt du!“ sagt er. Quops greift das
Gewehr. Wuhh, ist das schwer! Sein Vater zeigt ihm, wie er es
aufstützen und halten muss. Quops beachtet Kimme und Korn und zielt.
Sekundenlang. Er fängt an zu zittern vor Anstrengung. „Du musst
nicht so lange zögern“ sagt sein Vater, „das bringt nichts!“
Quops setzt das Gewehr ab und schnauft. Dann noch mal. Zielen. Er
drückt ab. Etwas bewegt sich an der Wand mit den Zielsachen, aber
das weiße Röhrchen über der Katze, das er treffen wollte, ist
unversehrt. „Versuch’s ruhig ein paarmal!“ sagt sein Vater. Quops
schießt und schießt und schießt. Mit rotem Kopf. Ganz verbissen.
Beim vierten Mal trifft er, beim nächstenmal auch. Sein Vater kauft
noch zehn Schuss. Quops ist Feuer und Flamme. Vergisst alles um sich
herum. Erhält schließlich die blaue Plüschkatze, mit gelben
Glasaugen und gelber Schleife.
Am Sonntagmorgen quält Quops seine Mutter solange, bis er sie soweit
hat, dass auch sie nochmal mit im schießen fährt. „Du verrückter
kleiner Tonnykid!“ sagt seine Mutter, als Quops ins Auto steigt,
„aber nur auf ’ne halbe Stunde!“ Quops antwortet nicht. Er hat
frühmorgens, als Tibby ihn geweckt hatte, 8 Euro aus seinem
Sparschwein gepult. Die wird er verschießen.
An der Schießbude ist es ruhig. Nur ein älterer Mann steht davor und
schaut sich die Gewinnziele an. Quops kann sich in Ruhe ein Ziel
aussuchen. Ganz rechts in der Ecke entdeckt er einen Plastikcowboy,
winzig, aber – mit Lasso!
Sofort steht sein Entschluss fest. Den wird er für Tops schießen.
Er legt an, zielt –daneben. Doch dann – Quops trifft mit jedem
Schuss. Schießt den Cowboy, einen Schlüsselanhänger in Fahrradform,
einen Riesenfilzstift und einen kleinen rosa Wecker. Seine Mutter
muss einiges draufzahlen. Doch sie meckert nicht, nein, sie schaut
ihrem Sohn zu und amüsiert sich.
Wie konzentriert, cool und geschickt ihr Kleiner das macht. Das
hätte sie ihm gar nicht zugetraut.
Und als sie nach Hause fahren, hat Quops noch einen Spitznamen
hinzubekommen. Tonnykid.
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