24. Gefahr
 

“Das gibt’s doch nicht!?” Quops steht da und starrt. Starrt Tops an. Ist der das überhaupt? Gibt’s das? Sechs Wochen war er in Kur, der Tops, an der Nordsee. Und nun, nun ist nur noch die Hälfte von ihm übrig. Schlank und rank steht er da und grinst: „Gell, da guckste! Hab’ nur ganz wenig zu essen gekriegt, in der Kur, nur Gemüse und so’n Kram!“ quakt Tops. Wenigstens seine Stimme ist noch dieselbe. Aber sonst: die Speckbacken sind weg, das Doppelkinn, der ganze dicke Kerl ist geschrumpft!
Irgendwie fühlt sich Quops komisch. Irgendwie geschlagen. Tops hat’s gut. Der ist jetzt dünn. Und er ...? – „Da geh’ ich auch hin, in Kur!“ murmelt Quops, „oder – ich ess’ auch nur noch Gemüse!“ – „Phhö! Das schaffste ja doch nicht!“ meint Tops und tut so überlegen, dass Quops ihm am liebsten eine reinhauen würde.
Stattdessen - dreht Quops sich ’rum und geht. – „He, wo willst du denn hin? Sei kein Frosch!“ schreit Tops hinter ihm her, „wir wollten doch – eh – zu dem Dingsda geh’n , in den Wald, wo du von geschrieben hast!“
Quops bleibt stehen. Verzieht den Mund und überlegt, ob er Lust hat, jetzt noch, zu dem „Dingsda“ in den Wald zu gehen. Nach Hause zu gehen, hat er jedenfalls keine Lust. „Na gut! Von mir aus!“ brummt er; und die zwei zockeln ab in Richtung Wald
„Wie is’n das genau, das Dings...?“ fragt Tops. – „Das is’ kein Dings, sondern ’n Bunker, ’n kaputter Bunker vom Krieg!“ – „Von was für’m Krieg?“ – „Vom Krieg, wie mein Opa klein war. Wirst’ schon sehen!“ – Eine Viertelstunde gehen sie einen breiten Waldweg entlang. Dann biegt Quops plötzlich ab, rechts durch den Graben, in eine Art Tierpfad hinein. „Du musst dich schon bücken!“ knurrt Quops Tobias an und zwängt sich durch einen niedrigen Tunnel in einem Dornengestrüpp. „Fällt miiir nicht mehr schwer!“ kontert Tops und grinst wieder so blöd. Quops tut so, als hätte er nichts gemerkt, und wühlt sich weiter durch Himbeer- und Schlehenhecken. Vor einem überwucherten Betonklotz bleibt er stehen: „Da ist er! Und da an der Seite geht’s rein!“
Niedergetretene Dornenranken führen zu einem finsteren Loch. „Bist du da etwa rein??“ fragt Tops ungläubig, „du? Ganz allein?“ – „Warum’n nicht?“ sagt Quops, „da passt auch ’n Dicker rein – wenn er kein Angsthase ist!“ Er zieht eine kleine Taschenlampe aus dem Anorak und leuchtet in das Loch. Dann lässt er sich in die Hocke runter und rutscht hinein. Tops hinterher. Der schmale Eingang erweitert sich zu einem kleinen Raum. Klamm ist’s darin und muffig. In einer Art Nische liegt eine Matratze. Darauf zwei Wolldecken, und daneben eine dicke Tragetasche. „Da in der Tüte sind nur’n paar leere Dosen und ’ne alte Zeitung!“ sagt Quops, „hab’ ich schon untersucht.“ – „Und was ist da oben?“ – „Woo?“ Quops leuchtet nach oben, wo Tops’ Finger hinzeigt. - „Hab’ ich noch gar nicht entdeckt!“ brummelt Quops und steigt auf eine Holzkiste, die an der Wand lehnt. Er leuchtet in ein Mauerloch unter der Decke. Etwas blitzt auf. Quops greift hinein und zieht einen Dosenöffner heraus. Dahinter stehen geschlossene Dosen mit Bohnen und Gulasch und fünf Bierflaschen. – „Du, ich glaub’, hier wohnt wirklich einer!“ sagt Tops und kramt hinter der Matratze ein komisches rostiges Messer und eine Rolle Pfefferminzbonbons heraus. – „Hab’ ich dir doch geschrieben!“ brummt Quops, „und siehst du, der hat sogar Vorräte! Und er ...“ –
Die beiden erstarren, Ein Geräusch vor dem Bunkereingang. Es knackt. Zweimal. Nochmal. Wie Schritte. Quops macht die Lampe aus und hält sich die Hand vor den Mund und – wagt nicht zu atmen. Wenn jetzt ... oh Gott! Wieder ein Knacken draußen. Und Stille. Quops schwitzt vor Angst. Es bleibt still. „Ob der draußen was bemerkt hat?“ haucht Tops ganz, ganz leise. – „Ja, und jetzt lauert er auf uns!“ haucht Quops zurück.
Oh, es ist gruselig. In der kalten, dunklen Bunkerruine zu hocken und sich nicht zu trauen, einen Muckser zu tun, weil, ja weil vielleicht am Eingang einer lauert!
Sie warten. Fünf, acht, Zehn Minuten. Eine Ewigkeit.
Es geschieht nichts. So lautlos wie möglich kriechen sie zum Eingang und lugen vorsichtig nach oben. Hell ist’s draußen, es blendet, und Himbeerranken schwanken im Wind. Eine Zeitlang horchen sie, Dann stößt Quops seinen Freund in die Seite. „Raus!!“ zischt er, und wie gestochen schießen die beiden aus dem Bunkerloch, stürzen sich ins Dornengestrüpp und schauen nicht rechts und links.
Auf dem Heimweg zählen sie ihre blutigen Schrammen und Ritzen. – „Ich glaub’, da war keiner!“ meint Quops schließlich. – „Weiß nicht!“ sagt Tops, „die Schritte! Und das Knacken!“
 

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