9.
Fahrerflucht
Das
Mountain – Bike! Quops hat es zur Kommunion bekommen. Es sieht toll
aus, aber es ist blöd! Quops ärgert sich noch grün darüber. Jedesmal
wenn er damit fährt , kriegt er hinten einen Platten. Je-des-mal!
Gestern abend hat sein Vater an dem Reifen herumgebastelt und gesagt
: „Wenn er jetzt wieder die Luft verliert, bring’ ich das Rad
zurück!“
Quops kurvt über den Bürgersteig. Er traut sich gar nicht richtig
loszulegen und weicht jedem Hubbel aus. Doch der Bürgersteig ist
breit und schön leer heute, und Quops gerät in Fahrt. Zehn Meter vor
der Ecke zur Hauptstraße ist eine Schotterstelle im Asphalt. Quops
weiß das und segelt mit Schwung daran vorbei. Zum Bremsen reicht es
danach immer noch! Denkt Quops. Und hat falsch gedacht. Denn in dem
Moment kommt ein Mädchen um die Straßenecke gerannt. Und rennt in
Quops hinein. Ein Schlag, ein Ruck, beide liegen unter dem Fahrrad.
Quops weiß nicht, wie es kam, es ging alles so schnell, das Mädchen
rührt sich nicht - und Quops: hoch, aufs Fahrrad – und weg, nichts
wie weg! Zwei Straßenecken weiter hält er an. Schnauft. Heiß ist ihm
plötzlich und er hat ein schwummriges Gefühl im Bauch. Das Mädchen!
Wie das da lag – Quops muss zurück! – Nein, er traut sich nicht! –
„Geh’ aus den Füßen! Sagt ein Mann, der mit seinem Dackel
daherkommt, „Fahrräder haben auf dem Bürgersteig nichts zu suchen !
Ist eng genug hier!“ – Quops drückt sich mit dem Rad an die Hecke.
„Was mach’ ich nur, was mach’ ich nur?“ denkt Quops. Er kaut auf
seinen Fingernägeln. Dann schiebt er sein Rad hinter die Hecke neben
dem Bürgersteig und geht zurück. Erst langsam, dann schneller. Kurz
vor der Ecke, wo’s passiert ist, bleibt er stehen – schleicht weiter
und schaut vorsichtig um die Ecke. Sein Herz klopft wild.
Er sieht ein Knäuel Leute, die aufgeregt reden. Das Mädchen sieht er
vor lauter Leuten nicht.
Quops ist wie lahm vor Entsetzen. Hat er – hat er das Mädchen
totgefahren??
’Rum dreht er sich und rennt - weg - so schnell wie nie in seinem
Leben. Er kriecht hinter die Hecke zu seinem Fahrrad, und dann heult
er los. Was soll er nur tun?
Später als sonst kommt Quops nach Hause. Zum Glück ist niemand da.
Sie hätten gesehen, dass er geheult hat, und er kann so schlecht
schwindeln.
Als Quops am Morgen aufwacht, hat er einen glühenden Kopf und seine
Mutter misst ihm Fieber. „37!“ sagt sie, „das ist nichts, komisch,
dass du so heiß bist!“ Quops sagt, dass er einen Albtraum hatte -
von Gangstern und so – und ist froh, dass seine Mutter nicht
weiterfragt. In Wirklichkeit hat Quops geträumt, dass er im
Zuchthaus sitzt. Riesige Mauern und Stacheldraht. Und in seiner
Zelle stand das fremde Mädchen und sagte: „Sooo, jetzt bist du
dran...!“
Den ganzen Morgen in der Schule ist Quops völlig „daneben“. Im
Übungsdiktat schreibt er „Tihre“ und „Vernseen“, 16 Fehler, und im
Kunstunterricht malt er einen grünen Baumstamm und braune Blätter.
Mittags zu Hause kriegt er nichts den Hals ’runter , obwohl es
Waffeln gibt, und seine Mutter sagt: „Ich glaub’, du wirst doch
krank!“
Um halb vier klingelt es heftig an der Wohnungstür. Quops steht das
Herz still. Doch es ist nur eine Nachbarin. Um fünf klingelt es
wieder. „Jetzt holen sie mich!“ denkt Quops. Ja! Er hört fremde
Stimmen und seine Mutter. Dann wird er gerufen.
Halbtot vor Angst geht Quops in die Diele und steht vor einem
fremden Mann und – dem Mädchen! Das Mädchen hat den rechten Arm in
Gips. „Ist er das?“ fragt der Mann das Mädchen. Das schaut Quops an
– von oben bis unten - und dann nickt es. Quops beißt sich auf die
Unterlippe. Er will nicht heulen! Doch er zittert von Kopf bis Fuß.
„Hast Du das Mädchen gestern angefahren, Kai?“ fragt seine Mutter.
Quops senkt den Kopf. Dann heult er los und wirft sich seiner Mutter
an den Arm: „Ich will nicht ins Gefängnis!“ schreit er. Vor lauter
Heulen hört und sieht er nichts mehr.
Doch plötzlich spürt er eine Hand auf seiner Schulter. „Hör’ auf,
du!“ sagt eine Stimme. Durch seine Tränenaugen sieht Quops das
Mädchen, und das macht gar kein böses Gesicht mehr.
„Wenn sie den Schaden übernehmen, werden wir keine Anzeige machen!“
knurrt der Mann, „andernfalls...!“ – „Selbstverständlich!“ sagt
Quops’ Mutter, „und – danke, vielen Dank!“
Als die beiden gegangen sind, schmiegt sich Quops an seine Mutter,
und dann weinen sie zusammen.
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